Streifzug durch die Vielfalt heimischer Dialekte

Mundartweg vom Neckartal zur bayrischen Grenze. Die zwei Tafeln in Königheim rücken
den Wein und eine „Kennemer"-Gebäckspezialität in den Blickpunkt.

Mit großer Begeisterung und „wärgli gääre", wie man in Königheim sagt, oder „gaare", wie es in Großrinderfeld
heißt, haben sich die Beteiligten bei der Realisierung des überörtlich angelegten Projekts „Mundartweg" eingebracht.

Entlang des Wegs, der vom Neckartal und Odenwald herführend soeben auch den Main-Tauber-Kreis erreicht hat,
erhält man in mittlerweile rund zwei Dutzend Gemeinden an Texttafeln und in Hörbeispielen lebendige Einblicke
in die Vielfalt der heimischen Dialekte. Dieser Tage wurden in Königheim, stellvertretend auch für die Kreisstadt
und für Großrinderfeld als dem bislang östlichsten Punkt, die hier entstandenen Stationen offiziell
ihrer Bestimmung übergeben.

Unter dem Motto „Vom Neckar bis zur bayrischen Landesgrenze" ist im engen interkommunalen Zusammenwirken
etlicher Heimatverein das Projekt „Mundartweg" umgesetzt worden, das in Mudau geboren wurde
und rasch breite Unterstützung gefunden hat. Der Weg führt von Neckarelz in nordöstliche Richtung durch den
Odenwald bis Großrinderfeld mit einem Abzweig unterwegs nach Unterfranken (unter anderem Amorbach und
Miltenberg). Ohne Abzweig ist die Strecke über 80 Kilometer lang und verläuft weitgehend auf gut ausgebauten
Radwegen.

Sie durchquert damit zwei Bundesländer, zwei Landkreise und mehrere Spracheregionen. Letzteres macht den
besonderen Reiz des Mundartweges aus, denn mit originellen Textbeispielen, die an den fast 40 Tafeln gelesen
und per QR-Code mittels Smartphone auch angehört werden können (inklusive „Übersetzung" ins Hochdeutsche),
erhält man einen interessanten Überblick über die teils deutlich voneinander abweichenden Dialekte, die zwischen
Neckar-, Main- und Taubertal gesprochen werden.

Wie zuvor schon im Neckar-Odenwald-Kreis, wo bisher Hardheim die letzte Station war, ist die Initiative
des Mudauer Mundartforschers und Heimatvereinsvorsitzenden Hans Slama auch in Königheim,
Tauberbischofsheim und Großrinderfeld sowie in Schweinberg auf fruchtbaren Boden gefallen, und so wurden
hier in den vergangenen Wochen in mehreren Arbeitskreis-Sitzungen Vorbereitungen getroffen und in den örtlichen
Vereinen Mundart-Texte für die (entlang des Weges einheitlich gestalteten) Texttafeln erarbeitet.

Die zwei Tafeln in Königheim rücken - naturgemäß - den Wein und eine „Kennemer" Gebäckspezialität in den
Blickpunkt bzw. den Gehörgang; die Überschriften lauten „E wenni woas vom Wej" und „Kennche, dr Wej
und die Hibbe" (Text: Burkard Gassenbauer). Die Audiodateien haben eine Länge von etwa zwei Minuten.

Auf den Tauberbischofsheimer Tafeln geht es um die Sage vom „Mangertsgroawe" (Text: Irmgard Wernher-Lippert,
Sprecher: Karlheinz Maninger) sowie um das Tauber-Hochwasser und das einstige Trocknen von Bettwäsche
auf der „Ünnere Bleich" (Texte/Sprecherin: Irmgard Wernher-Lippert).

Und in Großrinderfeld erfährt man etwas von den „vier Glogge" und deren Läuten (Text: Manfred Geiger)
und vom Weihnachtsgebäck „Döggeli", das vor dem Fest in „Blaachdose uffghäwe" wird (Text: Helga Koch).

„Mir Schwoamer ghörn zu Badisch Franke" wird auf der Schweinberger Tafel (Text: Gerhard Geiger;
Sprecher: Berthold Weidinger) den Fremden verkündet und zugleich darauf verwiesen, dass es im benachbarten
Brehmbachtal „en gudde Drunk" gibt.

Offizielle Übergabe
Sozusagen stellvertretend für die am Mundartweg beteiligten drei Main-Tauber-Kreis-Gemeinden fand die offizielle
Übergabe in Königheim am Standort der Texttafel „E wenni woas vom Wej" am Parkplatz am Wehr im Oberort statt.

Der Vorsitzende des Heimatvereins „Brehmbachtal", Lothar Achstetter, begrüßte dazu den Landtags-Vizepräsidenten
MdL Prof. Dr. Wolfgang Reinhart, die Bürgermeister Ludger Krug (Königheim) und Johannes Leibold
(Großrinderfeld), die Projekt-Motoren Dr. Isabell Arnstein (Buchen) und Hans Slama (Mudau) sowie
Vertreter der Heimatvereine Königheim, Großrinderfeld und Schweinberg und der Tauberfränkischen Heimatfreunde
Tauberbischofsheim.

Beim Heimatverein „Brehmbachtal" habe man das Projekt mit großer Begeisterung aufgenommen
und sich „wärgli gääre" beteiligt, betonte Achstetter. Dies gelte auch die anderen Vereine; allen sei daran gelegen,
Dialekt als Stück Kulturgut so weit wie möglich zu bewahren.

Dies erachtet man auch vonseiten der Wissenschaft als wichtig: Dialekte brächten Farbe, Humor und Vielfalt
in die Sprache, sprachliche Variationen und Mundart seien Kulturgut, das es zu erhalten gelte, stellt die Tübinger
Arbeitsstelle „Sprache in Südwestdeutschland" (Universität Tübingen) mit Blick darauf fest, dass gerade in größeren
Städten die regionale Färbung der Sprache zunehmend verloren geht.

Vor diesem Hintergrund unterstrich die Sprachwissenschaftlerin Dr. Isabell Arnstein (Buchen), die für das Tübinger
Ludwig-Uhland-Institut tätig ist und das Projekt fachlich begleitet hat, in Königheim denn auch die Bedeutung des
Gemeinschaftswerks Mundartweg, der die Vielfalt der fränkischen Dialekte erfahren lasse. Sie zeigte sich erfreut
über das rege Interesse, zur Bewahrung von Mundart beizutragen, und stattete für die Texte, deren nicht einfache
phonetischen Wiedergabe und die ehrenamtliche Arbeit Anerkennung ab.

Dr. Arnstein, die auch für das Zentrum für Lehrerbildung (ZSL) in Stuttgart in den Bereichen „Dialekt in der Schule"
beziehungsweise „Sprachgeschichte und Dialektologie" arbeitet, verwies zugleich darauf, dass die Dialektforschung
im Norden Baden-Württembergs lange Jahre eher ein Schattendasein geführt habe, und machte deutlich,
dass es sehr spannend sei, die Dialekt-Landschaft in Nordbaden/Nordwürttemberg und in Unterfranken
und die kleinen Ortsmundarten wissenschaftlich zu betrachten.

Initiator Hans Slama dankte seinerseits der Wissenschaftlerin, die „für das Projekt ein Glücksfall gewesen" sei,
und allen Beteiligten für ihren vorbildlichen Einsatz. „Wir wollen Dialekt, zumindest in der jetzigen Form,
konservieren." Vielleicht fielen einem in einigen Jahren die überlieferten und heute noch gebräuchlichen Wörter
gar nicht mehr ein. Er denke an weitere Stationen und eine Vernetzung von Mundartwegen.

Vielfalt erhalten
MdL Reinhart zeigte sich beeindruckt vom Projekt und der Arbeit der Beteiligten. Es sei in unserer Mundart-Region
so, dass sich alle paar Kilometer erhebliche Unterschiede ergeben könnte. Zwar unterliege die Sprache einem stetigen
Wandel, es sei aber wünschenswert, wenn Dialekte und deren Vielfalt erhalten blieben, denn sie stünden nicht nur
für Heimat und Heimatgefühl. Früher habe man das Sprechen im Dialekt an den Schulen unterbunden.

Heute wisse man, dass es die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten von Kindern fördere, wenn sie zweisprachig
aufwachsen, was auch das Miteinander von Mundart und Schriftsprache einschließe.

Königheims Bürgermeister Krug griff das Stichwort „Schule" auf und erinnerte an ein Erlebnis als Zweitklässler,
als er die Behauptung seines Lehrers partout nicht akzeptieren wollte, dass das Wort „Wurst" weder mit „o"
noch mit „sch" gesprochen und geschrieben werde.

Eine Bereicherung
Auch Krug wertete den Mundartweg als Bereicherung für die tangierten Gemeinden und die Region
und dankte dem Königheimer Heimatverein und den Heimatfreunden der Nachbargemeinden für ihr Engagement,
mit dem „in the Länd" die echte Mundart auf lebendige Weise ins Blickfeld gerückt werde. Bürgermeister Leibold
schloss sich den lobenden Worten seines Kollegen an. Gerade an Beispielen aus seiner Gemeinde im Vergleich
zu anderen Stationen zeigten sich die vielen Facetten der fränkischen Dialekte.

Natürlich gab es bei der symbolischen Enthüllung der Königheimer Tafeln Kennemer Wein und Hippen.

In Schweinberg findet am 24. September im Rahmen des Herbstfestes ein unterhaltsamer Nachmittag
zum Thema „Mundart und Mundartweg" statt. Eine ähnliche Veranstaltung soll später in Königheim folgen.
 
© Fränkische Nachrichten, 7. September 2023


Symbolische Enthüllung der Tafeln in Königheim. Das Bild zeigt die Vertreter der Heimatvereine „Brehmbachtal“,
Großrinderfeld und Schweinberg sowie der Tauberfränkischen Heimatfreunde Tauberbischofsheim
mit MdB Professor Dr. Wolfgang Reinhart, den Bürgermeistern Krug und Leibold sowie der Sprachwissenschaftlerin
Dr. Isabell Arnstein und dem Initiator des Projekts, Hans Slama.