Tag des offenen Denkmals

Tag des offenen Denkmals: Interesse am "Liebler Haus" war sehr groß.


Das sogenannte "Liebler Haus" in Tauberbischofsheims in der unteren Fußgängerzone gilt als eines der
"erhaltenswertesten Gebäude in der ganzen Region", glaubt man dem Denkmalatlas. Benannt ist es nach seinen
Erbauern Baltasar Liebler und dessen Frau Catharina im Jahr 1628, wie eine Kartusche im Gefach noch heute
deutlich anzeigt.

Es ist in der Übergangszeit von der Renaissance zum Barock erbaut, was man dem Gebäude auch anmerkt.
Mit zwei Vollgeschossen und zwei Dachgeschossen gilt es als eines der ersten Hochhäuser der Stadt.
Die Lieblers scheinen keine armen Leute gewesen zu sein, sonst wäre das Haus nicht in dieser herausragenden
Bauweise errichtet worden. Die beiden Dachgeschosse dienten früher als Lagerraum, was man am Zwerchgiebel
in der Bachgasse erkennen kann, an dem früher ein Aufzug die Waren nach oben beförderte.
Als Wohnbereich gedacht waren die beiden anderen Stockwerke und wurden auch lange so genutzt.
Doch seit längerer Zeit steht das von außen wunderschön anzusehende Gebäude leer.

Im Rahmen des "Tag des offenen Denkmals" konnte nun das "Liebler Haus" auch von innen besichtigt werden.
Kleine Gruppen geführt wurden durch das Haus geführt. Dabei erfuhren sie von der wechselvollen Geschichte
und den Plänen, wie eine zukünftige Nutzung aussehen könnte. Über 100 Menschen wollten daran teilnehmen,
die Warteliste war fast ebenso lang.

Melusinen an der Fassade

Auffällig an der Fassade sind die fein ausgeführten Schnitzereien, die überwiegend Melusinen, also Wassernixen
und Wassermänner zeigen, aber auch Neidköpfe und Palmen- beziehungsweise Sonnenräder. Sie und das Fachwerk
überhaupt konnten nur überleben, weil die Fassade, ganz im Stil des Barock, verputzt wurde, wodurch das Fachwerk
verschwand, aber auch konserviert wurde. Erst bei den größeren Sanierungsarbeiten Mitte der 50er-Jahre
des 20. Jahrhunderts kam das Fachwerk wieder zum Vorschein, das Ladengeschäft selbst wurde in der Zeit um 1900
in das Erdgeschoss eingebaut. Die Nordfassade ist bis heute prägend für das Gebäude
und zeugt vom einstigen Glanz.

Das Haus war immer ein Wohn- und Geschäftshaus und das soll es auch im Zukunft wieder sein,
wenn das Denkmalschutzamt mitspielt. Denn um es zeitgemäß und an moderne Wohngewohnheiten anzugleichen,
sind einige Umbauten im Inneren notwendig. Bisher geht man durch eine Küche in die einzelnen Wohnungen
hinein - ein Unding für den Nutzer oder die Nutzerin, fanden nicht nur die Teilnehmenden der Führungen.
Davon sollten eigentlich nur drei stattfinden, aber die Voranmeldungen waren so groß,
dass es insgesamt sieben wurden, zu jeder Stunde eine.

Noch sind nicht alle Geheimnisse des Gebäudes gelüftet
Auch der Gebäudeführer sieht die Notwendigkeit, die Fassade zu erhalten, sogar noch zu verbessern,
indem man den Putz der 1950er Jahre wieder entfernt. Innen sollte aber mehr Gestaltungsfreiraum gewährt werden,
denn dort seien nur wenige historisch bedeutsame Dinge, wie die Stuckdecke aus dem 19. Jahrhundert erhaltenswert.
Sonst wurde schon viel in früheren Zeiten verändert, inklusive der Fenster und dem Einbau von Elektrik
sowie einer neuen Treppe vor etwa 100 Jahren. Selbst der Fußboden mit den Holzdielen ist nicht sehr alt,
denn wie Untersuchungen gezeigt haben, wurde die Decke damals mit Schlacke isoliert, die aus den 1930er Jahren
stammt.

Richtig alt sind die Tragbalken im Inneren. Dendrochronologische Untersuchungen haben ergeben, dass sie
größtenteils aus dem 17. Jahrhundert stammen. Die werden auf jeden Fall erhalten bleiben. Noch sind nicht alle
Geheimnisse des Gebäudes gelüftet, weshalb sich noch weitere Untersuchungen anschließen, unter anderem
auch an der Pieta, die viele Jahrzehnte die nach Tauberbischofsheim kommenden Gäste grüßte.
Die Terrakotta-Figur soll, frisch gereinigt, an ihren alten Platz zurück.

© Main Post, Matthias Ernst, 12.9.2022
© Fränkische Nachrichten, Matthias Ernst, 12.9.2022