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Aus ganz Europa strömten die Kaufleute zu den beiden Messen. Hauptrouten der Kaufmannszüge aus den großen
süddeutschen Handelsstädten Augsburg, Regensburg und Nürnberg führten dabei entweder durch
(Tauber-)Bischofsheim oder alternativ quer durch den unheimlichen Spessart. Während die Regensburger
und Augsburger meist schon bei Bad Mergentheim beziehungsweise Königshofen das Taubertal erreichten,
zogen die Nürnberger Kaufleute häufig über Würzburg zur Übernachtungsstation Bischofsheim.
Der weitere Verlauf ging dann für alle vorbei an Külsheim nach Miltenberg und von dort ungefähr dem Main folgend
nach Frankfurt. Im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg gibt es ein kurzes Dokument aus der ersten Hälfte
des 18. Jahrhunderts, in welchem ein Nürnberger Kaufmann seine Reise zur Frankfurter Messe festgehalten hat
(Inventar-Nr. HB 4227, Kapsel Nr. 1375). Von Nürnberg bis Frankfurt dauerte seine Reise insgesamt acht Tage.
Am dritten Tag übernachtete er in Würzburg, am vierten in Bischofsheim.
Für diesen Streckenabschnitt vermerkt er: „Würzburg nachts, zum Schwanen, dann unterwegs bis Bischofsheim.
Von da bis dahin vier Meilen gerechnet wird und kein Ort, wo man bleiben kann. Und nachts Bischofsheim
in der oberen Vorstadt."
In der oberen Vorstadt, also außerhalb der Stadtmauer, gab es zum Beispiel die große Gastwirtschaft „Zur Sonne"
(Sonnenplatz). Hier könnte er also Unterkunft gefunden haben. Der Streckenabschnitt Würzburg - Bischofsheim
war mit 31 Kilometern Länge und 300 zu bewältigenden Höhenmetern sehr strapaziös, vielleicht sogar
die anstrengendste Tagesetappe auf der Reise.
Teurer Geleitschutz
Die Kaufleute transportierten wertvolle Waren zur Frankfurter Messe, und die Gefahren von Überfällen waren damals
groß. Im Staatsarchiv Würzburg gibt es eine dicke Akte, die Überfälle auf Kaufleute, die zur Frankfurter Messe reisten,
protokolliert. Auch Götz von Berlichingen (1480 bis 1562) war hin und wieder auf Raubzug.
Um die Gefahr von Überfällen zu verringern, schlossen sich die Kaufleute zu großen Kaufmannszügen zusammen,
die von den jeweils vor Ort regierenden Herrschaften gegen hohe Gebühr Geleitschutz gewährt bekamen.
Im Jahr 1789 wird so zum Beispiel ein Nürnberger Kaufmannszug aus Würzburg mit 30 Würzburger Husaren zu Pferd
Richtung Bischofsheim geleitet. An einem vereinbarten Treffpunkt, ungefähr an der Landesgrenze, übernahm dann
für das Erzstift Mainz die Bischofsheimer Delegation den Schutz.
Diese Stelle war zunächst das „Kalte Loch" bei Kist. Das war ein breiter, sumpfiger Bach, der in dem Bereich
nur an einer Furt, später über eine Brücke überquert werden konnte. Reste des „Kalten Lochs" sind noch vorhanden.
Sie reichen allemal aus, um einen Eindruck zu vermitteln, warum diese markante Stelle auch als Übergabepunkt
gewählt war.
Man kann sie bestaunen, wenn man aus Tauberbischofsheim kommend den ersten Kreisverkehr direkt nach Kist
(vor Unterquerung der A3) an der ersten Ausfahrt (Autobahnmeisterei) verlässt und dort parkt. 50 bis 100 Meter
weiter in den Wald hinein trennt das letzte Überbleibsel des „Kalten Lochs" die A3 von der Autobahnmeisterei.
Den Hang zur Autobahn ziehen tiefe Hohlwegreste hoch, die über Jahrhunderte von den Fuhrwerken in die Erde
gegraben wurden.
Fürstbischof Julius Echter (1545 bis 1617) war ein großer Freund der Jagd. Ihm war sehr daran gelegen,
vom Guttenberger Forst bis zur Landesgrenze ein möglichst geschlossenes Waldrevier zu schaffen.
Die Gelegenheit bot sich, da kleinere Weiler wie Bronn, Irtenberg oder Rohrensee wüst gefallen waren,
selbst Kist war wohl zeitweise durch Abwanderung ausgestorben.
Hitzige Verhandlungen
In jahrelangen, oft hitzigen Verhandlungen mit Kurmainz gelang es dem Würzburger Fürstbischof Julius Echter
schließlich, durch Tausch von Waldarealen und die Verlegung der Landesgrenze an ihre heutige Stelle in der Nähe
des Waldrands beim Irtenberger Forsthaus seinen Wald, sein fürstliches Jagdgebiet zu schließen. Dafür trat er 1583
sogar jegliche vogteiliche Rechte an den Ortschaften Großrinderfeld und Königheim an Kurmainz ab,
ein sehr hoher Preis, wie seine Beamten selbst bemerkten.
Die Übergabe des Geleits rückte nun vom „Kalten Loch" zur heutigen Landesgrenze. Hier kreuzte eine andere wichtige
Fernstraße die von Würzburg nach Bischofsheim ziehende Geleitstraße: Aus dem Gau kommend über Kleinrinderfeld
verlief hier einst die Weinstraße Richtung Altertheim, dann vorbei an Neubrunn nach Wertheim beziehungsweise zur
ehemaligen bedeutenden Mainfurt bei Urphar.
Weinstraßen gab es viele. Ihr Name leitet sich nicht vom Wein, sondern vom Wort „woin" für Wagen ab.
Es waren also mit Wagen befahrbare Straßen.
Empörung über Bischofsheimer
An der Kreuzung dieser beiden großen Straßen sollte die Geleitübergabe fortan erfolgen. Man findet in diesem Bereich
- aus Gerchsheim kommend rechts der Landstraße im Wald zwischen der Abzweigung nach Altertheim und
dem Irtenberger Forsthaus - noch heute zahlreiche Hohlwegspuren der Geleitstraße. Und entlang der Landesgrenze
kann man noch gut sichtbar der Weinstraße folgen, bis die A3 sie jäh durchschneidet.
Die oben bereits erwähnte Geleitübergabe im Jahr 1789 löste beim Würzburger Hauptmann indes einen Tobsuchtsanfall
aus, und er beschimpfte den bischofsheimer Centgraf, welcher das kurmainzische Geleit anführte, wüst. Er fühlte sich
durch den Auftritt der Bischofsheimer Geleitmannschaft in seiner Soldatenehre verletzt: Den 30 Würzburger Husaren
zu Pferd standen neben dem berittenen bischofsheimer Centgraf lediglich 20 Mann zu Fuß des „Bischofsheimer
Jägercorps" gegenüber. Dem noch nicht genug. Kamen doch die Würzburger mit 30 fürstbischöflichen Reitern
in voller Montur, entpuppte sich das Bischofsheimer Jägercorps als ein zusammengewürfelter Haufen Zivilisten.
Bischofsheim hatte seine Gastwirte als Geleitschutz aufgeboten. Diese nahmen den Job wohl gerne an, konnten sie doch
so auf dem langen Heimweg die Gelegenheit nutzen, bei den Nürnberger Kaufleuten emsig für ihre Gastwirtschaft als Übernachtungsstation zu werben. Der Hinmarsch zur Übergabestelle muss allerdings eine feuchtfröhliche Angelegenheit
gewesen sein, denn die bischofsheimer Wirte trafen laut Würzburger Hauptmann in einem erbärmlichen Zustand ein.
In einem anderen Jahr beklagten sich sogar einmal einige Nürnberger Kaufleute in Mainz, dass die Bischofsheimer
Geleitmannschaft in einem derart desolaten, ja desorientierten Zustand gewesen sei, dass sie anstatt auf der gut
ausgebauten neuen Chaussee auf der alten, kaum mehr zu befahrenen Route nach Bischofsheim geleitete.
Markierung durch Säulen
Vielleicht auch aufgrund solcher Erfahrungen einigte sich Erzbischof Julius Echter mit seinem Mainzer Gegenüber
Wolfgang von Dalberg, die Stelle der Geleitübergabe mit zwei hoheitlichen Säulen gut sichtbar zu markieren.
Die beiden über drei Meter hohen Säulen wurden im Bereich der Kreuzung der Geleitstraße mit der Weinstraße
im Jahr 1584 errichtet, und am 30. März 1585 wurde schließlich auch vertraglich festgehalten, was auf beiden Säulen
eingemeißelt auch zu lesen war:
Das gesamte Revier hinter den Säulen und hinter der Weinstraße in Richtung Würzburg stand allein Würzburg zu.
Nur Würzburg durfte hier Zoll erheben, Geleit ausüben und - für Echter vermutlich der wichtigste Punkt - jagen.
Auf der anderen Seite der Weinstraße in Richtung Gerchsheim lagen hingegen all diese Rechte bei Kurmainz.
Die beiden Hoheitssäulen, stehen noch heute im Irtenberger Wald: Gegenüber der Abzweigung der Straße
nach Altertheim weist ein kleines, unscheinbares Schild den Weg. Folgt man ihm, läuft man auf der alten Weinstraße
und erreicht nach ungefähr 200 Metern die imposanten Säulen. Eine Infotafel vor Ort erläutert die Inschriften
und noch weitere interessante Details.
(Quellen neben den im Text genannten: Staatsarchiv Würzburg, Standbücher 756, 760 und 789)
© Fränkische Nachrichten, 4.11.2024