
Links der Alten Straße, aus Tauberbischofsheim kommend, gibt es vom Beginn des Waldes bis zum ersten links
abzweigenden Forstweg einen anfangs 60, später bis zu 230 Meter breiten Streifen Wald, der nicht zum Staatsforst
gehört. Er ist heute zum Teil Tauberbischofsheimer Gemeindewald auf Großrinderfelder Gemarkung,
denn die Gemarkungsgrenze verläuft hier direkt am Waldrand. Dieser schmale Waldstreifen ist das Henkerslehen.
Ursprünge des Henkerslehens
Henkerslehen gab es nicht nur bei uns, sondern vermutlich überall, wo es auch Richtplätze des Centgerichts
- einer Art mittelalterlichen Verwaltungsbezirks - gab. Die Kosten für eine Hinrichtung waren nicht gering,
alle daran beteiligten Amts- und Würdenträger wollten mit Speis und Trank versorgt werden, der Henker,
der Centbote, der Centschreiber und andere Beteiligten waren zu entlohnen, ein Galgen zu bauen.
So ersann man die Henkerslehen, um die Finanzierung des Centgerichts und die Durchführung der Strafen
sicherzustellen. Dabei handelt es sich um Grundstücke im gemeindlichen Besitz beziehungsweise hoheitlicher
Verwaltung, die an in der Regel gesellschaftlich angesehene und wohlhabende Familien gegen eine Gebühr
verpachtet werden. Aus diesen Einnahmen wurden die Kosten der Hinrichtungen beglichen.
In Bischofsheim war zeitweise die Situation in der Cent, beim Centgericht kompliziert. Der Centgraf war
gleichzeitig auch Schultheiß der Stadt Bischofsheim, also der Bürgermeister, wenn auch vom Bischof bestellt.
Gericht und Verwaltung, Aufgaben der Cent und der Stadt Bischofsheim vermischten sich.
Zudem war Bischofsheim eine Zeit lang vom Mainzer Bischof verpfändet. In dieser Zeit gab es
eine gemeinsame Cent von Bischofsheim und Grünsfeld.
Als Bischofsheim nach der Pfändung wieder in Mainzer Gesamtbesitz war, waren nicht mehr alle Zuständigkeiten
klar. 1485 erließ Bischof Berthold Bestimmungen zur Bischofsheimer Stadtordnung, die auch das Henkerslehen
betrafen. Er war der Meinung, dass Mainz, die Äcker, die Wiesen und andere Fläche des Henkerslehen gehörten
und eine neue Ordnung nötig wäre.
Protokolle und Flurnamen
In den Tauberbischofsheimer Landschieder-Protokollen ihrer Gemarkungsgrenzbegehungen wird das Henkerslehen
stets genannt, schließlich reicht es ja an die Gemarkungsgrenze. Die Protokolle beginnen 1569 und enden 1872.
Anfangs heißt es noch Henkerslehen, später Henklen und schließlich, heute Hänglein. Ein schönes Beispiel,
wie sich Flurnamen im Laufe der Jahrhunderte abwandeln können. Und das ist eher die Regel als die Ausnahme.
In der Heimbergsflur findet sich ebenfalls der Gewannname Hänglein. Diese Ackerflächen könnten also auch
zum Henkerslehen gehört haben. Der Forst war churmainzisches Hoheitsgebiet, umso wichtiger war es auch
Bischofsheim also, das Henkerslehen als solches davon abzugrenzen. Es ging schließlich um Zuständigkeiten.
Und so wurde das Henkerslehen bereits im Jahr 1490 mit Grenzsteinen markiert. Aus einem Großrinderfelder
Gemarkungsumgehungs-Protokoll aus dem Jahr 1784 (GLA Karlsruhe 229 Nr. 35161 a) weiß man,
dass es mal acht solcher Henkerslehen-Grenzsteine gab.
Wiederentdeckte Grenzsteine
Drei davon sind bis jetzt wieder aufgetaucht. Einen davon findet man, wenn man in den den so beschilderten
„1. Stellweg" einbiegt. Nach ungefähr 200 Metern, kurz bevor von ihm nach links ein erster Waldweg abzweigt,
sieht man ungefäht 50 Meter tief links im Wald einen dieser Steine stehen. Diese Steine tragen nur ein „b"
für Bischofsheim. Vermutlich für die Bischofsheimer Cent. Bischofsheimer Gemarkungsgrenzsteine
aus dieser Zeit hatten stets drei „b". Und sie haben eine Jahreszahl: 1490. Und diese Zahl ist besonders.
Über der Zahl kann man kleine Kreise, wie ein hochgestelltes „o", erkennen. Dieser Usus wurde von den römisch
geschriebenen Zahlzeichen übernommen. Dort wurden die „Endungs-o" entweder jeweils nachgestellt oder mittig
über die Tausender, Hunderter und die Minderzahl (Zehner und Einer) übergeschrieben. Zu transkribieren wäre
folglich 1?4?90?, und zu lesen ist das Ganze als „Millesimo quadringentesimo nonagesimo" (bezogen auf das
mitzudenken „anno", also „im Jahr 1490").
Mit Einführung der arabischen Zahlen geriet dies eigentlich außer Mode. Aber hier, in der Übergangsphase,
wurden die „Endungs-o" noch verwendet. Die Forschungsstelle Deutsche Inschriften
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften halten diese Steine deshalb für einmalig.
© Fränkische Nachrichten, 20.9.2024