Historische Grenzmarkierungen (Teil 1)

Grenzsteine sind wenig beachtete Kleindenkmale von großer Bedeutung
von Hendrik Beierstettel


Schon seit mehr als 3000 Jahren beschäftigen sich die Menschen mit Grenzen, deren Beschreibung und Kennzeichnung.
Älteste Grenzverläufe orientierten sich oft an natürlichen Grenzen wie Flussläufen, Gräben oder Höhenzügen.
Ergänzt wurden diese bald durch von Menschenhand geschaffene Linien wie Dämme, Hecken, Wege oder Pflugfurchen

Als gut erkennbare, auffallende Grenzmale wurden auch seit jeher große Findlinge, also Felsen oder Steinblöcke genutzt.
Spätestens im Frühmittelalter begann man auch in Mitteleuropa schließlich mit einer systematischeren Markierung
der Grenzen: In herausragende oder alleinstehende Bäume auf der Grenzlinie wurden Zeichen eingekerbt.
Solche Bäume nannte man Malbäume oder Lach-/Lochbäume.

Entwicklung der Grenzsteine
Ungefähr ab dem 13. Jahrhundert fing man an, nicht nur vor Ort vorhandene Marken zu nutzen, sondern diese durch
das Setzen von Pfählen oder Steinen zu ergänzen. Diese ersten gesetzten Grenzsteine waren unbearbeitet, man nutzte
in der näheren Umgebung gefundener Steine mit länglicher Form.

Ein solcher alter Grenzstein steht heute noch auf dem Bettingberg zwischen Trennfeld und Kreuzwertheim. Dieser Stein
wird in einer Markungsbeschreibung aus dem Jahre 1696 „Judenstein“ genannt (StA Wt. FRep. 32 Nr. 58). Er steht
in der Nähe eines alten Fernwegs, der bei Urphar durch eine Furt den Main querte. Die Gemarkungsgrenze war hier
auch eine Zollgrenze. Juden mussten damals einen Leibzoll zahlen.

Im Laufe des 14. und 15. Jahrhundert setzte vornehmlich an Hoheits- und Rechtsgrenzen die Vermarkung
mit bearbeiteten Grenzsteinen ein. Sie wurden noch spärlich und in relativ großen Abständen zueinander gesetzt,
und zwar besonders als Ecksteine. Die ältesten behauenen Grenzsteine in unserer Gegend sind aus Buntsandstein,
da sich dieser gut bearbeiten lässt. Auf dem Kopf des Steins wurde ein Kreuz, später dann die Laufrichtung der Grenze
eingekerbt. Auf den beiden breiten Seitenflächen brachte man die oft sehr aufwendig gestalteten Kennzeichen
für den jeweiligen Herrschafts- beziehungsweise Gemarkungsbereich an.

Manche alten Steine tragen auch nur auf einer Seite eine solche Kennung, wohl von der Gemeinde oder Herrschaft,
die den Stein finanziert und errichtet hatte. Die Tauberbischofsheimer Gemarkungsgrenzsteine aus dem 15. und 16.
Jahrhundert zeigten auf der Bischofsheimer Gemarkung zugewandten Seite drei „B“, die in einem Wappenschild
um ein Mainzer Rad angeordnet waren. Häufig wurde auch noch die Jahreszahl der Errichtung eingehauen.

Einer der ältesten datierten und noch erhaltenen Bischofsheimer Gemarkungsgrenzsteine steht heute
im Tauberfränkischen Landschaftsmuseum. Er trägt die Jahreszahl 1493. Die Vier ist dabei noch in der damals üblichen
Schreibweise einer „nach unten offenen acht“ geschrieben.

Warum das Bischofsheimer „B“ dreimal eingehauen wurde, ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich hatte es einfach einen
praktischen Grund: Wenn ein „B“ beschädigt wurde, blieben immer noch zwei weitere übrig. Der Tauberbischofsheimer
Ehrenbürger Hugo Pahl interpretierte die drei „B“ schelmenhaft als Bischemer Bösi Buwe.

Im in der Erde befindlichen Teil des Steins wurden die oberirdischen Zeichen – in einfacherer Ausführung – oft nochmals
wiederholt. Auch dies war wieder eine Absicherung, falls der obere Teil des Steins beschädigt oder gar abgebrochen
sein sollte, die deutlich macht, für wie wichtig die Markierung der Grenze erachtet wurde.

Schutz und Kontrolle
Das Entfernen oder Versetzen von Grenzsteinen wurde hart bestraft. Grenzsteine durften nur von den sogenannten
Feld- oder Landschiedern, die auch Siebener genannt werden, beider beteiligten Parteien gemeinsam gesetzt werden.

Um ein heimliches Versetzen zu enttarnen, versteckten die Landschieder unter oder neben dem Stein in der Erde
kleine Tonscherben mit eingekerbten Zeichen, die Grenzstein-Zeugen genannt werden. Wie die Zeugen genau aussahen,
war das Geheimnis der Siebener.

Die Gemarkungsgrenzen wurden von den Landschiedern der jeweils angrenzenden Ortschaften in regelmäßigen
Abständen gemeinsam abgelaufen und kontrolliert. Vielerorts fand eine solche Gemarkungsumgehung jährlich,
wegen der spärlicheren Vegetation meist im Spätherbst, stat und war ein großes Ereignis: Neben vielen Amtsträgern
der Gemeinden sollten auch noch möglichst viele Einwohner mitlaufen, damit sie ihre Grenze kennen.

Um sich den Verlauf der Grenze dauerhaft einzuprägen, wurden die mitlaufenden Buben mancherorts energisch auf
jeden Grenzstein gesetzt. In größeren Abständen wurden die Gemarkungsumgehungen auch protokolliert.
Alle beteiligten Gemeinden erhielten eine Abschrift. Im Tauberbischofsheimer Stadtarchiv finden sich solche
Bischofsheimer Grenzgang-Protokolle aus den Jahren 1569, 1580, 1608, 1683, 1700, 1749 und 1872
(Stadtarchiv B3-B8a). Ein weiteres Bischofsheimer Protokoll aus dem Jahr 1724 liegt wegen einer damaligen
Grenzstreitigkeit mit dem seinerzeit zu Würzburg gehörenden Impfingen im Staatsarchiv Würzburg
(StA Wü Gebr. A Wü IV G 196 III).

Im Anschluss an Grenzbegehungen wurden verschwundene Steine ersetzt und zunehmend auch zusätzliche aufgestellt,
jedoch blieben die Abstände zwischen zwei Steinen teilweise immer noch beträchtlich groß. Auf der
Tauberbischofsheimer Gemarkungsgrenze mit Großrinderfeld gibt es am Forst einen Abschnitt von fast ein Kilometer
Länge, auf dem bis Mitte des 19. Jahrhundert kein einziger Grenzstein zu finden war. Hier zeigte der Waldrand
die Grenze an.

Ab dem 18. Jahrhundert wurde die Versteinung der Grenzen systematisiert, die Abstände zwischen zwei Steinen wurden
kleiner. Nun wurden auch auf geraden Grenzverläufen in regelmäßigen Abständen Steine, die sogenannten Läufersteine,
gesetzt. Der Umfang der Tauberbischofsheimer Gemarkung beträgt ungefähr 32 Kilometer, auf denen heute
noch ca. 250 historische Grenzsteine zu finden sind.

Mit diesem Artikel startet eine Serie, in der besondere Grenzsteine der Tauberbischofsheimer Gemarkung und Umgebung vorgestellt werden. Hendrik Beierstettel steht als ehrenamtlicher Grenzsteinbeauftragter der Gemeinde
Tauberbischofsheim in der Nachfolge der in Baden-Würtemberg nicht mehr existierenden Landschieder.
Beschädigte, ausgezackerte oder ortsfremd aufgefundene Grenzsteine können ihm gemeldet werden an grenzstein@beierstetel.de oder unter Telefon 09341/5113.
Er kümmert sich darum, dass sie wieder an ihren rechten Ort gelangen.

© Fränkische Nachrichten, 27.8.2024