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Als gut erkennbare, auffallende Grenzmale wurden auch seit jeher große Findlinge, also Felsen oder Steinblöcke genutzt.
Spätestens im Frühmittelalter begann man auch in Mitteleuropa schließlich mit einer systematischeren Markierung
der Grenzen: In herausragende oder alleinstehende Bäume auf der Grenzlinie wurden Zeichen eingekerbt.
Solche Bäume nannte man Malbäume oder Lach-/Lochbäume.
Entwicklung der Grenzsteine
Ungefähr ab dem 13. Jahrhundert fing man an, nicht nur vor Ort vorhandene Marken zu nutzen, sondern diese durch
das Setzen von Pfählen oder Steinen zu ergänzen. Diese ersten gesetzten Grenzsteine waren unbearbeitet, man nutzte
in der näheren Umgebung gefundener Steine mit länglicher Form.
Ein solcher alter Grenzstein steht heute noch auf dem Bettingberg zwischen Trennfeld und Kreuzwertheim.
Dieser Stein
wird in einer Markungsbeschreibung aus dem Jahre 1696
„Judenstein“ genannt (StA Wt. FRep. 32 Nr. 58). Er steht
in der Nähe
eines alten Fernwegs, der bei Urphar durch eine Furt den Main querte.
Die Gemarkungsgrenze war hier
auch eine Zollgrenze. Juden mussten damals
einen Leibzoll zahlen.
Im Laufe des 14. und 15. Jahrhundert setzte vornehmlich
an Hoheits- und Rechtsgrenzen die Vermarkung
mit bearbeiteten
Grenzsteinen ein. Sie wurden noch spärlich und in relativ großen
Abständen zueinander gesetzt,
und zwar besonders als Ecksteine. Die
ältesten behauenen Grenzsteine in unserer Gegend sind aus Buntsandstein,
da sich dieser gut bearbeiten lässt. Auf dem Kopf des Steins wurde ein
Kreuz, später dann die Laufrichtung der Grenze
eingekerbt. Auf den
beiden breiten Seitenflächen brachte man die oft sehr aufwendig
gestalteten Kennzeichen
für den jeweiligen Herrschafts- beziehungsweise
Gemarkungsbereich an.
Manche alten Steine tragen auch nur auf einer Seite eine
solche Kennung, wohl von der Gemeinde oder Herrschaft,
die den Stein
finanziert und errichtet hatte. Die Tauberbischofsheimer
Gemarkungsgrenzsteine aus dem 15. und 16.
Jahrhundert zeigten auf der
Bischofsheimer Gemarkung zugewandten Seite drei „B“, die in einem
Wappenschild
um ein Mainzer Rad angeordnet waren. Häufig wurde auch noch
die Jahreszahl der Errichtung eingehauen.
Einer der ältesten datierten und noch erhaltenen
Bischofsheimer Gemarkungsgrenzsteine steht heute
im Tauberfränkischen
Landschaftsmuseum. Er trägt die Jahreszahl 1493. Die Vier ist dabei noch
in der damals üblichen
Schreibweise einer „nach unten offenen acht“
geschrieben.
Warum das Bischofsheimer „B“ dreimal eingehauen wurde,
ist nicht ganz klar. Wahrscheinlich hatte es einfach einen
praktischen
Grund: Wenn ein „B“ beschädigt wurde, blieben immer noch zwei weitere
übrig. Der Tauberbischofsheimer
Ehrenbürger Hugo Pahl interpretierte die
drei „B“ schelmenhaft als Bischemer Bösi Buwe.
Im in der Erde befindlichen Teil des Steins wurden die
oberirdischen Zeichen – in einfacherer Ausführung – oft nochmals
wiederholt. Auch dies war wieder eine Absicherung, falls der obere Teil
des Steins beschädigt oder gar abgebrochen
sein sollte, die deutlich
macht, für wie wichtig die Markierung der Grenze erachtet wurde.
Schutz und Kontrolle
Das Entfernen oder Versetzen von Grenzsteinen wurde hart
bestraft. Grenzsteine durften nur von den sogenannten
Feld- oder
Landschiedern, die auch Siebener genannt werden, beider beteiligten
Parteien gemeinsam gesetzt werden.
Um ein heimliches Versetzen zu enttarnen, versteckten
die Landschieder unter oder neben dem Stein in der Erde
kleine
Tonscherben mit eingekerbten Zeichen, die Grenzstein-Zeugen genannt
werden. Wie die Zeugen genau aussahen,
war das Geheimnis der Siebener.
Die Gemarkungsgrenzen wurden von den Landschiedern der
jeweils angrenzenden Ortschaften in regelmäßigen
Abständen gemeinsam
abgelaufen und kontrolliert. Vielerorts fand eine solche
Gemarkungsumgehung jährlich,
wegen der spärlicheren Vegetation meist im
Spätherbst, stat und war ein großes Ereignis: Neben vielen Amtsträgern
der Gemeinden sollten auch noch möglichst viele Einwohner mitlaufen,
damit sie ihre Grenze kennen.
Um sich den Verlauf der Grenze dauerhaft einzuprägen,
wurden die mitlaufenden Buben mancherorts energisch auf
jeden Grenzstein
gesetzt. In größeren Abständen wurden die Gemarkungsumgehungen auch
protokolliert.
Alle beteiligten Gemeinden erhielten eine Abschrift. Im
Tauberbischofsheimer Stadtarchiv finden sich solche
Bischofsheimer
Grenzgang-Protokolle aus den Jahren 1569, 1580, 1608, 1683, 1700, 1749
und 1872
(Stadtarchiv B3-B8a). Ein weiteres Bischofsheimer Protokoll aus
dem Jahr 1724 liegt wegen einer damaligen
Grenzstreitigkeit mit dem
seinerzeit zu Würzburg gehörenden Impfingen im Staatsarchiv Würzburg
(StA Wü Gebr. A Wü IV G 196 III).
Im Anschluss an Grenzbegehungen wurden verschwundene
Steine ersetzt und zunehmend auch zusätzliche aufgestellt,
jedoch
blieben die Abstände zwischen zwei Steinen teilweise immer noch
beträchtlich groß. Auf der
Tauberbischofsheimer Gemarkungsgrenze mit
Großrinderfeld gibt es am Forst einen Abschnitt von fast ein Kilometer
Länge, auf dem bis Mitte des 19. Jahrhundert kein einziger Grenzstein zu
finden war. Hier zeigte der Waldrand
die Grenze an.
Ab dem 18. Jahrhundert wurde die Versteinung der Grenzen
systematisiert, die Abstände zwischen zwei Steinen wurden
kleiner. Nun
wurden auch auf geraden Grenzverläufen in regelmäßigen Abständen Steine,
die sogenannten Läufersteine,
gesetzt. Der Umfang der
Tauberbischofsheimer Gemarkung beträgt ungefähr 32 Kilometer, auf denen
heute
noch ca. 250 historische Grenzsteine zu finden sind.
Mit diesem Artikel startet eine Serie, in der besondere
Grenzsteine der Tauberbischofsheimer Gemarkung und Umgebung vorgestellt
werden. Hendrik Beierstettel steht als ehrenamtlicher
Grenzsteinbeauftragter der Gemeinde
Tauberbischofsheim in der Nachfolge
der in Baden-Würtemberg nicht mehr existierenden Landschieder.
Beschädigte, ausgezackerte oder ortsfremd aufgefundene Grenzsteine
können ihm gemeldet werden an grenzstein@beierstetel.de oder unter
Telefon 09341/5113.
Er kümmert sich darum, dass sie wieder an ihren
rechten Ort gelangen.
© Fränkische Nachrichten, 27.8.2024