
Im selben Jahr, in welchem der alte Dreimärker gesetzt wurde, wurde auf der Gemarkungsgrenze zwischen
Königheim und Tauberbischofsheim ein weiterer Grenzstein gesetzt: Ein Eckstein, wie die Landschieder in ihren
Protokollen betonen. Je größer der Richtungswechsel des Grenzverlaufs an einer Stelle ist, desto wahrscheinlicher
ist es, dass an diesem „Eck" schon sehr früh ein Stein gesetzt wurde.
Am Auslauf des Bischofsheimer Gründles ins Brehmbachtal winkelt die aus dem Gründle herausziehende
Gemarkungsgrenze rechtwinklig in Richtung Königheim ab. Dieser besondere Grenzpunkt wurde schon 1474,
vor also genau 550 Jahren, mit einem derart mächtigen Grenzstein markiert, dass er die Jahrhunderte überstand
und noch heute dort die Stellung hält. Vor zwei Jahren hätte ihm ein landwirtschaftliches Gerät dann aber fast
den Garaus gemacht. Er bekam einige Schrammen ab, geriet in Schieflage, wurde aber wieder aufgerichtet
und fest im Boden verankert.
Seine Zerstörung wäre ein großer Verlust gewesen: Es handelt sich nicht nur um den ältesten datierten Grenzstein,
der heute noch auf der Tauberbischofsheimer Gemarkungsgrenze steht, sondern auch hinsichtlich seines Aussehens
um ein Unikat. Alle bearbeiteten Bischofsheimer Gemarkungsgrenzsteine bis Anfang des 18. Jahrhunderts
und auch noch ein paar jüngere tragen auf Bischofsheimer Seite ein Wappenschild, in welchem sich
ein Mainzer Rad befindet.
Symbolik und Inschrift
Die Oberamtsstadt Bischofsheim gehörte bis zum Reichsdeputationshauptschluss im Jahre 1803 zum Erzstift Mainz.
Um das Mainzer Rad herum waren auf den alten Grenzsteinen drei zunächst klein, später groß geschriebene „b"
als Zeichen für Bischofsheim angeordnet. Auch unser über ein halbes Jahrtausend alter Stein trägt dieses
Wappenschild mit Mainzer Rad. Anders als bei allen anderen Steinen ist hier das Wappenschild jedoch
leicht schräg geneigt und hat oben einen kleinen Fortsatz, der an ein Fähnchen erinnert.
Zudem findet man um das Wappenschild herum nur zwei „b", die sind dafür jedoch außerordentlich groß
und aufwändig gearbeitet. Das dritte „b" ist bei diesem Eckstein auf die schmale Seitenfläche „gerutscht",
die ebenfalls in Richtung Tauberbischofsheimer Gemarkung schaut. Das macht diesen Stein einmalig.
Auf der breiten Königheimer Seitenfläche findet sich dagegen nur ein schlichtes „K" - ein deutlicher Hinweis,
welche der beiden Gemeinden diesen imposanten Markstein finanziert hat und setzen ließ.
Zahlenschreibweisen
Unter dem Wappenschild auf Bischofsheimer Seite ist das Jahr eingehauen, in welchem er gesetzt wurde.
Den meisten Wanderern, die auf den großen Buntsandstein aufmerksam werden, wird sich sein Alter aber
dennoch nicht sofort offenbaren: Zwar war in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts großteils schon
der Übergang von den römischen Zahlen zu den arabischen erfolgt, diese wurde teilweise aber noch
deutlich anders als heute geschrieben.
Das ist übrigens auch ein starker Hinweis, dass der in der vorherigen Folge dieser Artikelserie thematisierte
alte Grenzstein tatsächlich nicht aus dem Jahr 1308 stammt, denn seine Jahreszahl ist schon moderner geschrieben,
passt eher ins 16. Jahrhundert.
Die Schreibweise der Zahl 1474 unseres Ecksteins im Brehmbachtal dagegen passt völlig in ihre Zeit:
Die Eins ist ein einfacher Strich, wie ein großes I. Die beiden Vierer erinnern an eine acht, deren unterer Kreis
nach unten hin offen ist. Wenn man diese seltsame Vier um ca. 60 Grad gegen den Uhrzeigersinn dreht,
ist man der heutigen Vier schon sehr nahe. Und die Sieben erinnert mehr an ein Dach (^) als an eine Sieben.
Dreht man diese alte Sieben nun aber um ca. 60 Grad im Uhrzeigersinn, wird einem klar,
wie sich die Schreibweise der heutigen Sieben entwickelt haben dürfte.
© Fränkische Nachrichten, 18.9.2024